Der EV Zug holt den zweiten Meister-Titel in einer aussergewöhnlichen Saison. Dieser Titel ist noch höher zu gewichten, als einer, der unter «normalen» Bedingungen geholt wurde. Life-Coach Guilene Gerber von «Zoe Coaching»: «Die Umstände sind besonders. Es war eine sehr, sehr schwierige Zeit, doch der EV Zug hat es durchgezogen. Sie waren nicht nur physikalisch und spielerisch die besten, sondern auch mental.» Und dies in einem wesentlich umfangreicheren Ausmass, als in einer «gewöhnlichen» Saison, da es auch sämtliche Corona-Nebenschauplätze wegzustecken galt.
Guilene Gerber: «Spielen ohne Fans und die meisten konnten ihren erweiterten Familienkreis nicht mehr sehen, die Eltern oder Grosseltern nicht mehr sehen; Leute, die sehr wichtig sind und die einem Mut und Kraft geben. Die ausländischen Spieler konnten wegen den Beschränkungen noch weniger reisen.»
Wer den Corona-Titel abwertet, ordnet diesen falsch ein. «In dieser speziellen Zeit haben sie aussergewöhnlicheres Leisten müssen als in normalen Saisons. Ich gratuliere dem Team für die Stärke, die es gezeigt hat. Sie haben einen besonderen Meilenstein erreicht. Sie zeigten, dass man auch unter schwierigen Umständen grosses erreichen kann.»
Mit
dem EV Zug, dem Lausanne HC und dem EHC Biel segeln gleich alle drei Schweizer
Teams aus den Viertelfinals der Champions Hockey League (CHL). Einmal mehr
macht dadurch ein grosser internationaler Titel einen diskreten Bogen um die
Schweiz. Dabei standen die Chancen gut, dass erstmals seit dem HC Davos (2016)
und dem HC Fribourg-Gottéron (2017) wieder ein helvetisches Team ins Halbfinale
vorstösst. Besonders bitter ist das Ausscheiden des EV Zug. Auswärts konnte
beim tschechischen Team Mountfield HK ein 1:1 erstritten werden. Im Rückspiel
daheim hätte es nach 20 Minuten 1:0 für den EV Zug stehen müssen, 2:0 stehen
sollen und 3:0 stehen dürfen. Doch die Anzeigetafel hielt ein 0:0 fest und am
Schluss feierten die Tschechen einen 4:0-Erfolg. Und der EHC Biel stand der
Sensation gegen den schwedischen Titel-Verteidiger Frölunda HC nahe – musste
sich dann aber in der Verlängerung geschlagen geben.
National League die
Nummer sieben der Welt
Gern
bezeichneten wir unsere Liga als die beste ausserhalb der NHL oder maximal die
Nummer drei nach der KHL. Messbar aber ist seit Einführung der Champions Hockey
League, dass die Schweiz noch hinter der schwedischen Svenska Hockeyligan, der
finnischen Liiga, der tschechischen Extraliga sowie der deutschen DEL liegt.
Also auf Rang sieben. Wie bitte – die Schweiz hinter der DEL? Und hinter der
tschechischen Extraliga? Laut dem Medaillenspiegel an dem die Auftritte auf der
europäischen Bühne gemessen werden: Ja. Immerhin im Vierjahres-Ranking der CHL
liegen wir «nur» hinter der schwedischen Liga und knapp vor der finnischen,
tschechischen und deutschen.
Wer
nun den absolut heroischen (und überraschenden) Sieg der ZSC Lions über die
russische Mannschaft Metallurg Magnitogorsk im Jahr 2009 in einem
Vorgänger-Modell der modernen Champions Hockey League ins Feld führt, hat den
Schuss nicht gehört: Damals waren zwölft Teams am Start, die Gruppengegner
überschaubar und zuletzt wurden Halbfinals und das Finale ausgetragen. Seit die
CHL 2014 eingeführt wurde und sich der Sieger gegen mindestens 32 Mannschaften
und nach der Gruppenphase mit Achtelfinals beginnend durchsetzen muss, konnte
der Titel nicht mal mehr erahnt werden.
Nati die Nummer 9 der
Welt
Auch
wenn es um den WM-Titel geht, langt die Schweiz daneben: Das gleiche Bild zeigt
die Schweizer Nationalmannschaft. Im «ewigen Medaillenspiegel» liegt die
Schweiz sogar hinter Grossbritannien, da die Briten bereits einmal WM-Gold
holten. 1936 war das, mit einem Sieg über Kanada – richtig, es war eine andere
Zeit. ABER: Warum hat die Schweiz dann nicht auch in dieser «anderen» Zeit
seine Goldmedaille geholt? Eben. Übrigens: 1935, also ein Jahr vor den Briten,
stand die Schweiz im Finale und verlor gegen Kanada.
Woran es krankt
Inzwischen starten die Schweizer Teams durchaus ambitioniert ins europäische Abenteuer. Aber der endgültige Titel, eine WM-Medaille oder der Gewinn der nun 2014 eingeführten Champions League fehlt. Betrachten wir das Ganze einmal nicht aus der Sicht des typischen Hockey-Staffs, der seit Einführung der WM vor rund 80 Jahren analysiert, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Life-Coach Guilene Gerber: «Es gibt zwei Arten der Vorbereitung. Die physische ist die eine: Man kann gut trainiert sein, bei der Ernährung alle Diäten gehalten haben und bereit sein für die Competition. Noch wichtiger aber ist die mentale Vorbereitung. Es kann sein, dass die Spieler im Kopf noch nicht bereit sind, diese Wettbewerbe auch wirklich zu gewinnen.»
Was jetzt geschehen
muss
Was nicht ist, kann noch werden. Das muss die Schweiz nun tun, um endlich einen grossen, internationalen Titel zu holen – Guilene Gerber: «Die meisten Athleten in der Mannschaft müssen mental ready sein um diese entscheidenden Matches zu gewinnen. Man muss im Kopf haben, dass man nicht einfach hingeht um es ‘zu versuchen’. Sondern im Kopf muss sein: ‘Jetzt ist es genug. Wir gehen dahin, um diese Duelle zu gewinnen.’ An diesem Punkt gilt es weiterzuarbeiten. Physisch ist alles da. Und von der Vorbereitung her stimmt alles. Die Ernährung stimmt. Die professionellen Strukturen stimmen. Der Punkt muss jetzt im mentalen gesetzt werden. Eine neue Denkweise muss her. Nicht, ‘wir sind die Neulinge in dieser Wettbewerbs-Phase’, sondern ein Mind-Set im Sinne von: ‘We are the best. We gonna win it!’ Das sollte der Leitsatz für die nächste europäische Kampagne werden.»